Wort ohne Eros

Belesenheit ist Gewesenheit,

so es ihr mangelt an Lebenssaft.

Ist kein Wert an sich,

wie manche meinen;

Narcissus im Fluss,

du spiegelst nur dich.

Ich wäre lieber Lady Chatterleys Lover

im Waldstück deiner Heimlichkeit.

Sehr deutsch, das Mäuserichtum,

Insichgekehrtsein eines Igels mit enttäuschten Stacheln.

Sterile Wortkaskaden, Streubomben der Bildung:

Hoi polloi, hoi polloi, machst den gemeinen Mann nieder.

„Was soll das?“, fragte Grönemeyer, genau:

Was soll das, was bringt das?

Dein Aftershave schwebt in der Luft,

meines hast du nie benutzt.

Ich schicke mich in den April (Beltane tanzt)

Geburtsschmerz des Jahres, Krokusse, Tulpen weinen

sich in wärmenden Sonnenschlaf;

ihre Tränen  das Wasser, das vom Himmel schauert,

in das Grün fährt allüberall.

Wer wandelt im Sonnenschein,

gerät viertelstündlich in den Hinterhalt

der  Polarluft – wie sie es nennen.

Schirm hoch oder ich mache dich nass,

lösche dich, ich Chefredakteur  des verfrühten Sonnenbades.

Schneeschauer: Ehre der Klassikerjäger auf ihren flandrischen Runden,

uns erreichen in der Wärme so gern die Bilder heroischer Wunden.

Die Wende mait uns zu, Hoffnung der Frierenden alljährlich.

Schön Jahr für Jahr, Beltane tanzt in den jungen Blättern.

Tanze mit mir!

Beltane schweigt, harte Schönheit tanzt in den Wettern:

Und  morgen wird es vielleicht  Sommer nach dem Schnee.

Hochsommer im April

Aus der Wüste, sagen sie, kamen die Himmelskamele.

Brachten nicht Weihrauch und Myrrhe, sondern Sand.

Verdunkelter Himmel wie  Malermissgeschick:

Übermaß von Schwefelgelb und Grau, das sich balgt  

mit der Wärmeexplosion von Blüten  auf

des Meisters ekstatischer Palette – Balsam der letzte Duft zu früh gemähten Grases.

Das Brennen in den Schenkeln – geschuldet dem ersten Berg oder dem Aufstehen vom Stuhl –

mahnt zum Sommer. Derweil kühlen die Lebensfesten sich in gefundenen Wassern.

Die, die mit dem Handtuch gehen, die Zukunft vor sich wie

eine lässig umgehängte Tasche,

den selbstbewussten Nabel frei vor der Welt balacierend,

die entschwinden in der Dämmerung wie eine Jugend.

Did Not Finish

Landung überlebt,

Begegnung noch kühl zweier fremder Planeten.

Wir akklimatisieren uns, Ziffern tanzen im Höhenmesser.

Khumbu-Eisbruch, nachts im Zelt dein Gesicht.

Heimlichkeit unter der Stirnlampe.

Und jeden Tag trinken wir Buttertee und Yak-Milch.

Chancen nehmen ab mit der Verschlechterung des Wetters.

Wir werfen Reiskörner, Dosenbier unser Opfer.

Puja, die Götter indifferent.

Ausgang ungewiss, Feuerstelle in deinem Blick.

Und jeden Tag bereitet der Sherpa-Koch Momo.

Das Zeitfenster enger,

das Fix-Seil gekappt, das warst du.

Dich sicher wähnend im Schneesturm.

Man sieht sich nicht nur einmal im Leben,

das wir geben.

Und jed e Nacht träumen wir weiter

vom Gipfel, unerreichbar.

Frühling zu früh (Der Besucher)

Schöner, unheimlicher Besucher, kommst

vor deiner Zeit. Erneut: Du  kommst vor deiner Zeit.

Und keiner kann schwitzend dir widerstehen.

Genau das macht dich so gefährlich:

I do declare there were times I was so lonesome I took some comfort there.

Du Hormone-Sterne-Koch, du Hinwegfeger

und Zurückbringer des Winters,

gesichert dein Schicksal – der Sommer kommt.

Deine grausame Magnolienblüte: So sicher

endet sie im Eiswind,

wie eine Schwerreiche die Lotterie gewinnt.

Du bist nicht richtig und nicht falsch, so ungefragt

wie das Männlich-Weibliche  aus dem allnächtlichen Traum.

Der neue Morgen dann ist weiß und rein der Schnee,

der zu Mittag schon verschwunden, frei gemacht

der Weg  Richtung Ostern.

Die Wolkendecke

Du ziehst die Wolkendecke bis zum Hals,

wünscht  tiefer  dich ins Tiefdruckgebiet  

wie eine Tatort-Kommissarin- das Tiefdruckgebiet,

das seelenverwandte.

Doch die Nacht endet.

***

Märznacht unter der Wolkendecke.

Es dunkelt, doch da sind Lichter in der Landschaft

und die Erde riecht wie aufgebrochener Acker

nach dem Stoff des Lebens.

In der Wolkendecke reißt der Mond persönlich

ein Loch auf, seine Grandezza duldet kein Verstecken,

aber wohl Verschleiern,

man sehe ihn sich nur an, wenn

 würdig zurückgezogen im aufkommenden Tag

er sich verabschiedet.

***

Die Wolkendecke zerwühlt oder sauber gefaltet:

Somebody could walk into this room

and say your life is on fire

Alles hängt ab von dir.

Sassongher

Eine Zeit unseres Lebens im Gleichschritt.

Zu nah, um richtig zu sein, doch immerhin nah.

Hey Joe – where are you going with that gun in your hand?

Hinauf zum Aiguille du Midi gehen wir, du in Jeans,

ich im Wide Bodykit,  fiebernd  auf dem Liberty Walk.

Aiguille du Midi, das ließ sich steigern:

Am Sassongher stürzte ich mich über

Felsspalten an deine Wange.

Mein Fallschirm defekt: Impact Earth:

Aus der Fatality List kommen manchmal noch Signale.

Fackelabfahrt damals  in der Bergnacht.

Duft eines rauchigen Morgens im  Albergo.

Trocknende  Skischuhe, Rauch-Schnee-Kälte der

großen Art:  Du und Bob Marley, ihr fehlt in der Nacht.

Waldenser, Savoyarden, Piemont,

Sacra di San Michele, Il nome della rosa, Grischunit:

Schönheit solcher Wörter – wäre ich

Romanist nur geworden, Lexikograf oder Romantiker:

Aufprall – atmen, schreiben, sich erkennen –  weiterleben.

Mein Gedicht

Schreiben als hören, dass einer schreit,

dass einer verschüttet liegt, dem Tod nah gefühlt,

doch glücklicherweise nur einer, der schlaflos Kissen verwühlt.

Schreiben als Geborgener,

herausgetragen auf der Bahre; Schreiben als

der warme Körper, an den gekuschelt Schlaf ist.

Schreiben als der Lehrer, die Lupe, die noch

vergrößert die Großen, weil erahnbar macht,

was sie bewegt.

Schreiben als Sand, der schneller durch

die Uhr fließt, als ein Wort nach oben trägt.

Schreiben als Brücke, die unzerstörbar

ins Vergangene weist.

Schreiben unterm Lichtkegel der Nacht.

Schreiben im ersten Tageslicht,

wenn der Mond erschöpft zur Nacht sich legt;

wenn in den Häusern erste Lampen

den Alltag aus dem Ärmel ziehen,

diesen Joker, diese Burg, das rettende Gestade.

Der Geist, der in den Morgenstunden fliegt:

Schlange und Schaf erden ihn und mich zu Dir:

in Weisheit und Wolle und im Wort auf Papier.

Was jung wir hatten

Warum nicht? Warum nicht jetzt?

Die Frage, die dich jung macht, die stellst du oft zuletzt.

Deine Jugend so unwissend rührend, sternverbunden

unbestimmt in wildem Lauf,

fordert heraus mich in die Mainacht,

Mainacht, Mainacht:

Wenn die weißen Birkengeister zu uns sprechen,

am kleinen Berg zwischen unseren Häuserhaufen,

könnten letzte Dämmer brechen, wir uns zusammenraufen,

gleich hier in Blütenschatten.

Traum aus, Traum aus: Wir sehen alt,

was jung wir hatten.

Fasnacht und Verbrennung

Zwischen Wagner und Bach

wird es still.

Es heißt nun: ich wollte, nicht: ich will.

Denn die Mondsichel ist gekommen

zu mähen, zu mähen: Gras falle auf unseren Schlaf.

Zwischen Mick und Keith, auch

zwischen AC und  DC wird es alt nun.

Es heißt: Ich glaube-spüre, nicht: ich bin mir sicher.

Denn der Mond steht als Hälfte am Himmel.

Wie junger Mädchen Erdbeergekicher, das fällt in unseren alten Schlaf.

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